ottonova Zahn 85 - Top oder Flop?

ottonova Zahn 85 - Top oder Flop?

Autor: Maximilian Waizmann - Experte Zahnzusatzversicherung

Maximilian Waizmann | Versicherungsfachmann BWV

Nachdem der erste Zahntarif von ottonova eher als Flop zu bezeichnen war (wir berichteten), startete ottonova vor kurzem eine neue Zahnzusatzversicherung Tarifserie. Der Top-Tarif Zahn 100 wurde von Stiftung Warentest im Mai 2019 sogar als Testsieger ausgezeichnet (gemeinsam mit den Tarifen DFV Zahnschutz Exklusiv 100, Die Bayerische ZAHN Prestige und Hanse Merkur EZL).

 

ottonova Zahn85 - solide Leistungen zu einem guten Preis

Im Fokus unserer Betrachtung steht allerdings der günstige Tarif ottonova zahn 85 (auch als Business Class bezeichnet). Der Tarif bietet sowohl Leistungen für Zahnersatz wie auch für Zahnbehandlung, Kieferorthopädie und Prophylaxe.

Für Zahnersatz leistet der Tarif - wie es der Name vermuten lässt - 85%, unter Anrechnung der Vorleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Bedingungen sind nicht schlecht, der Tarif leistet für Implantate, Inlays, Kronen, Brücken oder auch Veneers.

Für Prophylaxe / Zahnreinigung gibt es 2 x 70 Euro pro Jahr und Kieferorthopädie wird bei Kindern bis zu 1.500 Euro innerhalb von 10 Jahren erstattet - allerdings nur in den KIG-Stufen 3 bis 5 (ohne Vorleistung der GKV bei KIG 1-2 gibt es keine Leistung im zahn85). Für Zahnbehandlungen werden 100% erstattet, allerdings nur, wenn die gesetzliche Krankenkasse eine Vorleistung erbringt. Leistet sie z.B. für eine Wurzelbehandlung nicht, erstattet ottonova nur 85%.

Die Wartezeit beträgt 3 Monate (außer für Zahnreinigung) und die Summenstaffel beträgt 4 Jahre - allerdings gilt hier nicht die vorteilhafte Kalenderjahres-Regelung, sondern jedes Versicherungsjahr wird mit genau 12 Monaten berechnet, bevor man ins nächste Versicherungsjahr kommt).

Die Beiträge sind sehr niedrig kalkuliert - aus unserer Sicht eher zu niedrig. In der Altersklasse der 25 bis 30 Jahren rechnet ottonova mit 12,58 Euro Monatsbeitrag - das deckt gerade mal den möglichen Prophylaxe-Leistungsbedarf. Fraglich, wovon ottonova dann andere Schäden wie Füllungen oder Zahnersatz bezahlen möchte - aus unserer Sicht muss hier mittelfristig mit einer Beitragsanpassung (auch für Bestandskunden) gerechnet werden. Dieses "Problem", dass die Tarife „zu billig“ kalkuliert sind, haben allerdings andere Anbieter auch, da muss man sich einfach bei Abschluss realistisch darüber im klaren sein, dass die Beiträge nicht dauerhaft garantiert sind und es zu Steigerungen kommen kann.

Alles in allem bietet ottonova mit dem zahn-85 ein solides Produkt mit Vorteilen wie Nachteilen, und das zu einem relativ günstigen Preis (der aber vermutlich auch irgendwann erhöht wird). Wobei es im Marktvergleich eine eher unübliche Klausel in den Bedingungen gibt: ottonova leistet nämlich nicht, wenn sich die versicherte Person bei Ausübung eines Kampfsportes verletzt. Also Vorsicht, wer Spaß an Judo, Karate & Co hat - der sollte sich besser nicht bei ottonova versichern.

 

 

Doch ist ottonova auch ein solider Krankenversicherer?

Auf der einen Seite haben wir einen Tarif, den zahn85, dessen Leistungen nicht schlecht ist. Auf der anderen Seite haben wir ein eher junges Start-Up, das sich erst noch etablieren muss. Schauen wir uns den Krankenversicherer ottonova genauer an:

Gegründet mit Investorenmitteln in Höhe von rund 40 Millionen Euro bietet ottonova seit 2017 PKV Vollversicherungen und auch Zusatzversicherungen an. Nach Veröffentlichung der ersten Geschäftsberichte wurde in der Presse teils sehr kritisch über ottonova berichtet. Von hohen Kosten und geringen Umsätzen war die Rede. Ein Blick auf die Zahlen macht deutlich, dass die Kritik nicht unberechtigt war:

Im Jahr 2017 konnte ottonova etwa 200 neue Kunden gewinnen. Die Kosten für Marketing und Tippgeberprovisionen lagen im selben Jahr jedoch bei rund 775.000 Euro - jeder gewonnene Neukunde kostete ottonova also praktisch fast 4.000 Euro.

2018 lief es für ottonova nicht viel besser. Stand Ende 2018 soll das Startup gerade einmal 406 Kunden gehabt haben - bei wohlgemerkt knapp 100 beschäftigten Mitarbeitern.

Gründer Roman Rittweger sagte noch im Jahr 2017, man brauche rund 12.000 Kunden, um im profitablen Bereich zu arbeiten. Nachdem im Jahr 2017 und 2018 Verluste von insgesamt über 2 Millionen Euro verbucht worden sind, ist fraglich, ob das Unternehmen wie ursprünglich angepeilt, im Jahr 2020 die Gewinnzone erreichen kann.

 

Wenn man die eigenen Ziele nicht erreicht? Dann korrigiert man die Erwartungen einfach nach unten

Nach eigenen Aussagen, geht man bei ottonova wohl eher nicht davon aus. Das Ziel von 12.000 Kunden „erreichen wir nicht“, sagte Rittweger in einem Interview im Mai 2019. Stattdessen habe man den Businessplan letztes Jahr angepasst. Sehr interessant und ein wenig skurril finden wir die Aussage, dass man „seitdem über den eigenen Erwartungen liege“ - das klingt logisch - oder? Man muss nur die eigene Erwartungshaltung (stark genug) senken, um sie schließlich zu übertreffen.

Nun im Jahr 2019 hat ottonova seine Strategie angepasst. Zum einen hat ottonova erklärt, aus Angst vor negativen Presseberichten künftig keine Kundenzahlen mehr offenzulegen (was allerdings nicht unbedingt optimistisch klingt). Statt auf reinen Direktvertrieb setzt man künftig zum anderen im Vertrieb der Zahnzusatzversicherung auch auf große Vergleichsportale (z.B. Check24) und kooperiert mit dem Maklerpool blau direkt. Sicherlich wird es ottonova gelingen, auf diese Art und Weise mehr Kunden zu akquirieren - doch ob das reicht?

Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass ottonova von seinen Investoren Debeka, Vorwerk Ventures, Holtzbrinck Ventures und Btov Partners frisches Kapital erhält. Von 60 Millionen Euro ist die Rede. Der Großteil des Kapitals soll laut Rittweger in Vertriebs- und Marketingaktivitäten fließen um den Kundenstamm weiter zu vergrößern. Bleibt abzuwarten, wie lange ottonova die nächste Finanzierungsrunde von rund 60 Millionen ausreicht.

Leider werden wir in absehbarer Zeit vermutlich keine konkreten Zahlen zu Gesicht bekommen, um den Verlauf zu beobachten, da ottonova wie bereits erwähnt künftig keine Kundenzahlen mehr veröffentlichen wird.

 

 

Unser Fazit: Ist die neue Zahnzusatzversicherung ottonova Zahn 85 empfehlenswert?

Wir sind hin und hergerissen. Grundsätzlich handelt es sich nicht um eine schlechte Zahnzusatzversicherung (siehe Eingangsbemerkung). Wer einen Tarif mit gutem Preis-Leistungsverhältnis sucht, für den ist das Angebot sicherlich nicht uninteressant. Über die Kooperation mit dem Maklerpool blaudirekt können wir unseren Kunden die Produkte von ottonova auch anbieten - doch können wir das Produkt auch guten Gewissens empfehlen? Wir raten unseren Kunden momentan eher zur Zurückhaltung und empfehlen sicherheitsorientierten Kunden „altgediente“ PKV-Unternehmen, die schon länger am Markt sind.

Es gibt aus unserer Sicht einfach auch viele andere gute Tarife von Gesellschaften, die sehr viel etablierter sind als ottonova. Gute und günstige Alternativen sind z.B. Die Bayerische ZAHN Smart oder die Gothaer MediZ Duo. Und viele davon, ziehen auch in Sachen Digitalisierung nach. So bieten zum Beispiel auch viele andere Versicherungen mittlerweile Rechnungs-Apps für Handy und Tablet an, mit denen sich Rechnungen leicht und schnell digitalisieren lassen.

Ob man als Kunde als einer der ersten dabei sein muss und sich dem Risiko aussetzen sollte, eine Versicherung bei einem jungen Start-Up Unternehmen abzuschließen, das muss letztlich jeder für sich entscheiden. Die bisherigen Zahlen von ottonova machen zumindest skeptisch.


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